Joost: Vom Aufstieg und Fall des Online-TV Anbieters

Der Werdegang eines Projekts


Joost
Der Schleier ist gelüftet: Joost wird das Skype in der TV Welt. Es ist wie Fernsehen, nur besser. Die Revolution des Fernsehens kommt aus dem Internet. So ähnlich euphorisch tönte es anfangs 2007, als die Gründer des Internet-Telefons Skype und der Datei-Tauschbörse Kazaa, Niklas Zennstrøm and Janus Friis, ihr neues Projekt Joost der Welt präsentierten. Im Oktober 2007 war Joost (was als „Juice“ ausgesprochen wird) offiziell für jedermann verfügbar, doch zwei Jahre später ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt angelangt. Was ist passiert? Schauen wir uns die Chronologie der Ereignisse an.


2006: Venice Projekt wird mit Spannung erwartet u.m. Vorschusslorbeeren überhäuft

Eine große Geheimniskrämerei war das „Venice Projekt“, über 150 Entwickler an sechs Lokationen weltweit arbeiteten an der Software dazu. Bis dann mit Pauken und Trompeten der Dienst Joost aus der Taufe gehoben wurde, um das Fernsehen zu revolutionieren. Anstatt kurzen Briefmarkenkinos à la YouTube und Co. wollte Joost komplette Filme und Serien in Top Qualität anbieten, finanziert durch Werbung. Das Programm sollte dabei On Demand jederzeit zur Verfügung stehen.

Die Übertragung erfolgt im bewährten Peer-to-Peer Modus direkt von den angeschlossenen Computern der Benutzer, im Gegensatz zu anderen Anbietern, welche von einem zentralen Server her ihre Videos ins Internet hinauspusten. Von den Beta-Benutzern gab es einen Haufen Vorschusslorbeeren, die Bildqualität und die intuitive Bedienoberfläche wurden gelobt – auch wenn es ab und an technische Probleme gab drückte man ein Auge zu.

2007 – die Realität lässt sich nicht weg reden

Das Programmangebot für Deutschland war zu Beginn eher mager, im Gegensatz zu den USA. Der Grund waren lizenzrechtliche Einschränkungen, den Kanal "National Geographic" gab es in Deutschland zum Beispiel nicht zu empfangen.

Nebst Joost boten unzählige Webseiten Videos, Musik und TV an. Auch mehr oder weniger legale Dateischaubörsen zum Herunterladen dieser Inhalte hatten Hochkonjunktur. Konkurrenten wie Hulu, Zattoo, Babelgum und natürlich YouTube wollten ihren Anteil vom süßen Kuchen und waren auf dem Vormarsch. Kein ruhiges Fahrwasser, doch Joost war noch zuversichtlich.

2008 – ausrangiert auf dem Abstellgleis

Die cleveren Köpfe hatten erkannt, das Social Networking ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Dienste ist und positionierten sich nun auch damit, dass andere Personen Empfehlungen für Video-Inhalte abgeben können.


Doch die Anstrengungen reichten nicht aus, um in der Top Liga mitzuspielen. YouTube baute seine Vormachtstellung weiter aus, gefolgt von Hulu. Joost hatte den Nachteil, dass sich Benutzer zuerst eine Software herunterladen und installieren müssen, anstatt die Inhalte direkt im Browser ansehen zu können. Gegen Ende des Jahres wurde dann endlich auf einen webbasierten Flashplayer, anstelle der Desktop Software umgestellt. Leider zu spät.

2009 – das letzte Aufbäumen

Ende Juni verkündete Joost einen einschneidenden Kurswechsel. Der CEO Mike Volpi nahm den Hut, respektive wurde als Verwaltungsratspräsident kaltgestellt. Ein Großteil der 90ig köpfigen Belegschaft landete auf der Straße, von bis zu 70 Leuten ist laut Insidern die Rede. Ein Kernteam der letzten Mohikaner in New York und London dürfen versuchen, den Scherbenhaufen zusammen kleistern. Wenigstens will man die bestehenden Inhalte weiterführen.

Das Geschäftsmodell fokussiert sich neu auf ein Angebot von White Label Online Video Plattformen für Kabel und Satelliten-Anbieter, Broadcaster und Video Aggregatoren. Die Storyline soll einleuchtend tönen, viele Firmen weltweit setzen auf Internet-basierte Videoportale als Vertriebskanal für ihre Premium-Bezahlinhalte. Der Aufbau und Betrieb einer solchen Infrastruktur ist komplex und teuer, und da will nun Joost in die Bresche springen. Doch leider ist auch dieser Markt schon mit etablierten Spielern wie Brightcove und Ooyala besetzt.

Im Juni 2009 wurde es dann ganz still um Joost – per dato keine neuen Blogeinträge oder Pressemitteilungen. Und auf die Idee, die Job-Angebotsseite zu überarbeiten ist auch keiner gekommen. Dort hieß es nämlich noch eine Weile, dass immer noch fleißig gewachsen wird…

Seit Ende 2009 zeigt sich nun folgendes Bild, mit dem Hinweis, dass man das Projekt überdenke...



Was schief lief und was wir aus dieser Lektion lernen können

Auch bekannte Namen und ein dickes Portemonnaie machen noch kein erfolgreiches Unternehmen. Eine initiale Finanzspritze und etablierte Gesichter sind sicherlich hilfreich, um an Traktion zu gewinnen und sich im Markt zu positionieren. Mittelfristig muss das Business Modell aber genug abwerfen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Joost hat sich, wie viele andere Unternehmen, auf Werbeeinnahmen fokussiert. Die Schwierigkeit war aber, in Zeiten von zusammen gestrichenen Marketingbudgets damit genügend Bares herauszuholen.

Ein weiterer Stolperstein war die langsame Adaption von neuen Technologien, insbesondere dass der Benutzer zuerst eine Software herunterladen und installieren musste - anstatt die Inhalte direkt im Browser ansehen zu können. Benutzer sind nicht geduldig und haben kein Verständnis für technische Restriktionen. Es muss funktionieren, auf Anhieb, jederzeit und überall. Ansonsten ist die Konkurrenz nur einen Klick weiter entfernt. Joost hatte das Mantra der Einfachheit gut umgesetzt innerhalb der Menüführung der Applikation, nur leider sind viele gar nie bis dorthin vorgedrungen.

Als Joost startete, meldeten sich fast eine Viertelmillion Benutzer für den Betatest an. Technische Probleme verärgerten die Benutzer, und die Vorschusslorbeeren welkten rasch. Innerhalb der Firma gab es zudem die geographisch verteilten Silos in New York, London und den Niederlanden (Leiden), welche nicht immer unter dem gleichen Nenner zusammen arbeiteten.

Die Investoren und Gründer gucken nun in die Röhre, sie haben einen größeren zweistelligen Millionen Dollar Betrag investiert. Der französische Autor François Mauriac sagte treffend: "Der Bau von Luftschlössern kostet nichts, aber ihre Zerstörung ist sehr teuer."

Quelle: Bilder und Logo joost.com © joost.com


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