Gespräch mit Alexander Schulz-Heyn, vom Deutschen IPTV Verband: „Es ist an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden und Gesetze zu verabschieden, die heute anwendbar sind!“


Deutscher IPTV-Verband

Der Deutsche IPTV Verband ist ein Zusammenschluss kleiner und mittelständischer IPTV Unternehmen. Als Grassroot Netzwerk vertreten seine Mitglieder die Überzeugung, dass man gemeinsam mehr erreichen kann. Das spiegelt sich auch darin, dass eine optimierte Kooperation von Technik und Inhalt angestrebt wird, um für die Kunden ein attraktives Angebot zu gestalten.

Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber TV-Sendern, Aggregatoren, der Werbeindustrie und auch den Zuschauern sowie gesetzgeberischen Institutionen.

Wir wollten wissen, warum IPTV in Deutschland einen schweren Stand hat und wie die Gesetzeslage diesbezüglich verbessert werden könnte. Herr Alexander Schulz-Heyn, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen IPTV Verbands, geht mit uns diesen Fragen in einer dreiteiligen Serie auf den Grund.

In Teil 1 tauchen wir in die Historie ab, in Teil 2 beleuchten wir die aktuelle rechtliche Problematik und Lösungsansätze und in Teil 3 beschäftigen wir uns mit den verschiedenen technischen Ansätzen und damit einhergehenden Rahmenbedingungen.

Wir nehmen Sie dabei mit auf eine Reise, die ein Ziel hat: Ihnen als Benutzer eine maximale Medienvielfalt anzubieten, damit Sie die freie Wahl haben!


Gespräch mit dem deutschen IPTV Verband DIPTV

Alexander Schulz-Heyn

Wir wollten von Herrn Schulz-Heyn wissen, warum es diesen Lizenzdschungel mit dem rechtlichen Korsett überhaupt gibt, was die historischen Gründe und daraus resultierenden Konsequenzen sind.


Schulz-Heyn: Dem Rundfunk wird seit jeher eine besondere Wirkung bei der öffentlichen Meinungsbildung zugesprochen, da er mit relativ geringem technischem Aufwand einen großen Teil der Gesellschaft mit Informationen erreichen kann. Besonders das Rundfunkfernsehen mit seiner Suggestionskraft birgt aber auch die Gefahr der Manipulation. Aus diesen Gründen entschied das Bundesverfassungsgericht in seinen Rundfunkurteilen, dass Rundfunk einer Regulierung, insbesondere einer Zulassungspflicht, unterliegen soll. Damit wird gewährleistet, dass journalistische Grundprinzipien eingehalten werden. Zudem soll vermieden werden, dass TV Anbieter die Möglichkeit der einseitigen Meinungsbildung ausnutzen.


Live senden darf nur, wer die entsprechende Zulassung hat – sagt das Gesetzbuch.

Über die Zulassungsbedürftigkeit entscheidet die zuständige Landesmedienanstalt anhand der Merkmale a) Breitenwirkung, b) Aktualität und c) Suggestivkraft.


Konkret: Wenn ein Angebot potenziell Live ausgestrahlt wird und Millionen von Menschen erreichen kann, erfüllt es den Tatbestand der Aktualität und Breitenwirkung - und ist somit zulassungspflichtig. Eine Suggestionskraft wird bewegten Bildern ohnehin immer vorgehalten.

Im Pre-Internetzeitalter machte diese vom Verfassungsgericht unterstützte Regelung für TV auch Sinn. Als TV-Zuschauer nur aus einem halben Dutzend privater Sendern auswählen konnte (Öffentlich rechtliche TV-Sendern unterliegen nicht der Medienaufsicht der Behörden), war die Sorge der einseitigen Meinungsbildung berechtigt. Allein durch die Knappheit des Angebots konnte bei jedem Sender von der Möglichkeit bzw. der Gefahr der Manipulation ausgegangen werden. Diese Zeiten der wenigen Sender sind lange vorbei, doch die Regelungen bestehen immer noch.

Satellitenfernsehen bringt erstmals Vielfalt an Programmen für den Zuschauer

Seit der flächendeckenden Einführung von Satellitenfernsehen hat der Zuschauer mehrere 100 Sender zur Auswahl! Damit wurde langsam deutlich, dass Breitenwirkung zwar rein technisch möglich ist, aber schlicht durch die Vielzahl der konkurrierenden Angebote nicht mehr in dem Maße erreicht wird. Nur noch ganz wenige Sender erreichen einen Marktanteil von über 1%.


Doch auch damals rührte man an der grundsätzlichen Notwendigkeit der Zulassungspflicht nicht. Einerseits ließ sich der Marktanteil nicht genau evaluieren, andererseits gab es das Argument, dass trotz des scheinbar vielfältigen Angebots eine Konzentration durch wenige Medienkonzerne vorherrsche.

Internet TV läutet das Ende der Gesetze aus dem letzten Jahrhundert ein – oder?

Doch spätestens mit der Einführung von Internet TV müssen Gesetze aus dem vergangenen Jahrhundert auf den Prüfstand. Deren Macher konnten damals nicht ahnen, welchen grandiosen Siegeszug das Internet in deutsche Haushalte halten würde.


Denn mit Internet Fernsehen sind wir zum ersten Mal in der Lage, die unabhängige Medienvielfalt wirklich zu leben. Wir erfahren derzeit eine unglaubliche Medien- und Meinungsvielfalt im Internet, von dem die Macher der Rundfunkstaatsverträge nicht zu träumen wagten.


Klein- und Kleinstsender produzieren unermüdlich jeden Tag innovative und kreative Formate - und können sie auf direktem und kostengünstigem Wege ihren Zuschauerkreisen anbieten. Das hat es so in der Medienkommunikation noch nie vorher gegeben.

Doch die alten und bis dahin durchaus notwendigen Gesetze haben noch immer Bestand und erweisen sich nun mehr und mehr als Hindernis auf dem Weg zu den Zielen, die die Schöpfer der Rundfunkstaatsverträge im Sinn hatten: mehr Medienfreiheit im Sinne einer Stärkung der demokratischen Bildung und weniger staatliche Medienkontrolle und bürokratische Gängelung.


Und so muss man sich heute die Frage stellen, ob es tatsächlich Sinn macht, dass diese Tausende von Klein- und Kleinstsender von den Medienanstalten auf Zulassungsberechtigung überprüfen werden müssen? Reichen nicht die allgemeinen Gesetze und Vorschriften aus, die die Grenzen für Meinungsäußerungen definieren (insbesondere Strafrecht, Jugendschutzrecht, Urheberrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht)? Man könnte fast den Verdacht bekommen, dass etablierte Kreise die möglich gewordene Medienfreiheit am liebsten wieder abschaffen möchten und sie den Status quo mit den bestehenden Gesetzen und neuen verschärften Internetgesetzen absichern wollen.

Reden wir Tacheles!

Höchste Zeit also, eine offene Debatte darüber zu führen, ob die angelegten Maßstäbe für eine Zulassung noch aktuell sind. Besteht den wirklich eine einschneidende Breitenwirkung, wenn audiovisuelle Botschaften ein paar zehntausend Mal abgerufen werden? Zum Vergleich: in Deutschland werden 60 Millionen Videoclips angeschaut – täglich. Wie groß ist also deren gesellschaftliche Meinungsbildung? Sollten wir uns im Internet TV nicht an der weniger stark regulierten Presse orientieren? Hier herrscht keine derartige staatliche Kontrolle, doch die allzu oft hoch geschworene Massenverirrung findet trotzdem nicht statt. Ganz im Gegenteil erweist sich die vierte Gewalt der Demokratie mehr und mehr als verlässliches Korrektiv politsicher Entscheidungen.


Man mag die Lizenznotwendigkeit für das „herkömmliche“ Fernsehen für große Sender vielleicht noch bejahen können. Eine Zulassungspflicht für Web-TV ist im Hinblick auf die genannten Kriterien und historischen Voraussetzungen für den deutschen IPTV Verband ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Rundfunkfreiheit.

Ziehen wir nochmals die eingangs erwähnten Kriterien zu Rate: Die Aktualität, die dem Internet immanent ist, stellt kein taugliches Kriterium dar. Die ehemals gemeinte Breitenwirkung dürfte für einen einzelnen IPTV-Sender wegen der unüberschaubaren Vielzahl von Internetangeboten kaum mehr erreicht werden. Die Suggestivkraft ist schwierig zu messen und somit per se schon ein problematisches Kriterium. Dies allein rechtfertigt somit noch keine pauschale präventive Regulierung.

Fazit: es ist an der Zeit, die bestehenden Regulative an die neue Zeitrechnung anzugleichen!

Lesen Sie nächste Woche die Lösungsansätze aus Sicht des deutschen IPTV Verbands. Abonnieren Sie dazu unseren Newsfeed um immer auf dem Laufenden zu sein.


Wir bedanken uns bei Herrn Heyn für das Interview.

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Weiterführendes zum Thema IPTV
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Quelle: Interview mit Herrn Heyn von DIPTV
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