„Mein persönliches Fernsehen“ – Zukunftsbild im Blickpunkt


„Die Zukunft ist noch nicht geschrieben“, sagte einst Doc Brown im Hollywood-Blockbuster „Zurück in die Zukunft“. Damit mag er Recht haben, doch was der Filmfigur gelang – die Konstruktion einer Zeitmaschine um einen Blick 10 oder 20 Jahre in das Futurum zu werfen – bleibt uns in der Realität verwehrt. Ob das gut so ist, darüber kann man streiten. Fakt ist, dass Markforscher wohl ab und zu gerne mal einen Fuß in besagte Zeitmaschine setzen würden. Ganz ohne solcherlei Technik präsentiert uns der Münchener Kreis seine neue Studie „Zukunftsbilder der digitalen Welt“. Wir haben die gesamte Studie im Allgemeinen und eines der Zukunftsbilder im Speziellen genauer unter die Lupe genommen.


Zukunftsbilder im Überblick

Der Münchner Kreis – eine seit Jahren etablierte gemeinnützige Vereinigung zur Zukunftsforschung in der Wissens- und Informationsgesellschaft – legte unlängst die neue Studie „Zukunftsbilder der digitalen Welt. Nutzerperspektiven im internationalen Vergleich“ vor. Der Bericht stellt den vierten Band einer Reihe von Forschungsschriften dar. Gemeinsam mit zahlreichen Projektpartnern, darunter beispielsweise das Zweite Deutsche Fernsehen, Siemens, Sony, die Deutsche Telekom oder auch das Bundeswirtschaftsministerium, wirft man einen Blick in die zukünftigen Entwicklungen unserer Gesellschaft im Bereich der Informations- und Unterhaltungstechnologie. Dazu haben die Projektpartner insgesamt 16 Zukunftsbilder konzipiert, die dann durch eine weltweite Online-Umfrage evaluiert wurden. Die Bilder sind in sieben Kategorien unterteilt und reichen von Bereichen wie „Lernen und wissen“ in dem die Vision eines digitalen Schulbuchs vorgestellt wird, über „Arbeiten und organisieren“ bis hin zu Gesundheit, Konsum und zu „Unterhalten und Bewahren“. Unter letzterem Kapitel findet sich das Zukunftsbild „Mein persönliches Fernsehen“, dass wir uns im Folgenden näher anschauen wollen.

Zur Systematik

Zur Evaluierung der Zukunftsbilder hat der Münchner Kreis eine weltweite Online-Befragung gestartet. So wurden etwa 7.000 Internetnutzer aus sechs Ländern befragt. Für Europa wurden stellvertretend die Staaten Deutschland und Schweden ausgewählt, repräsentativ für Asien stehen China und Südkorea. Amerika ist mit Brasilien und den USA vertreten. Afrikanische Staaten fanden in der Studie leider keine Beachtung. Pro Land wurden in etwa 1.200 Internetnutzer befragt, welchen je 4 aus 16 Zukunftsbildern per Zufall im Zeitraum vom 17. August 2011 bis 8. September 2011 vorgelegt wurden. Befragt wurden regelmäßige Internetnutzer im Alter von 18 bis 70 Jahren. Die Ergebnisse wurden anschließend von einem 38-köpfigen Autorenteam ausgewertet. Um diese Ergebnisse aussagekräftiger bewerten zu können, wurden die Teilnehmer dabei in normale und besonders innovativ eingestellte Befragte (Angaben dazu in Klammern) unterteilt.

„Mein persönliches Fernsehen“ im Fokus

Für uns ist natürlich das Zukunftsbild „Mein persönliches Fernsehen“ am interessantesten. Darin wird eine zukünftige Fernsehplattform konzipiert, die wohl am ehesten mit dem IPTV-Angebot „Entertain“ aus dem Hause Deutsche Telekom oder dem Konkurrenzprodukt „Vodafone TV“ zu vergleichen ist. Konkret ist von einer Plattform die Rede, die „zu jeder Zeit und an jedem Ort, ein auf mich zugeschnittenes Angebot an Fernsehprogrammen“ liefert. Das System soll dabei lernfähig angelegt sein und sich auf spezielle Sendungen und Interessen spezialisieren, um diese dann dem Zuschauer personalisiert anzubieten. Und dass, „egal welches Gerät ich nutze“. Die Vorschläge der Plattform sollen dabei nicht nur auf den jeweiligen Geschmack, sondern auch auf die Situation angepasst sein. So soll das System beispielsweise Spielfilme fürs Wohnzimmer oder Serien für die Bus- oder Zugfahrt vorschlagen. Ein einfacher Zugang soll das System dabei besonders benutzerfreundlich machen: Einfach ein Knopfdruck auf Fernbedienung, Smartphone oder Tablet-PC und die Verbindung steht. Dadurch soll es schnell und unkompliziert möglich werden, verpasste Sendungen anzuschauen. Über den Programmführer erfolgt die Programmsuche, angefüllt mit Empfehlungen von Freunden oder anderen Zuschauern.

Die Ähnlichkeit zu bereits bestehenden Angeboten ist also durchaus gegeben, obgleich der Zugriff über Smartphone oder Tablet und persönlich zugeschnittene Programmvorschläge, sprich eine lernfähige Plattform bisher so noch nicht existieren.

Brasilianer würden gerne probieren, Deutsche eher skeptisch

Dass die Deutschen in Bezug auf solche Fernseh-Neuerungen nun nicht gerade übermotiviert sind, ist ja schon seit längerem bekannt. Zwar können deutsche IPTV-Anbieter stetige Wachstumsraten verzeichnen, an einen regelrechten Boom wie beispielsweise im Nachbarland Frankreich, kommen die Zahlen aber bei weitem nicht heran. Diese grundsätzliche Skepsis zeigt sich auch in der Befragung des Münchner Kreises. So gaben die deutschen Befragten mit „Bin mir nicht sicher, ob ich es ausprobieren würde“ mehrheitlich ein skeptisches Votum ab (entspricht Note 3). Selbst die innovationsoffenen Befragten konnten sich nur zu einem „Würde ich wahrscheinlich ausprobieren“ durchringen (Note 2,3) Brasilianer zeigten sich hier deutlich innovationsfreudiger: Mit einer Note von 1,6 befand sich die Mehrheit der Befragten zwischen „Würde ich bestimmt ausprobieren“ und „Würde ich wahrscheinlich ausprobieren“. Die innovationsoffenen Befragten pegelten sich gar bei 1,4 ein.

Deutsche haben Datenschutzbedenken

Wie sollte es anders sein, die deutschen Befragten zeigten vor allem im Bereich Datenschutz große Bedenken. Satte 49 Prozent gaben diese Sorge an, bei den innovationsoffenen Befragten waren es gar 54 Prozent. Damit liegt Deutschland weit vor allen anderen Ländern. So machen sich beispielsweise nur 21 Prozent (40 Prozent der innovationsoffenen Befragten) der Brasilianer oder je 25 Prozent der Schweden (31 Prozent) und US-Amerikaner (33 Prozent) Sorgen um den Datenschutz. Dicht damit verbunden ist die Sorge, dass großflächig Sehgewohnheiten erfasst und gespeichert werden. 46 Prozent (47 Prozent) der deutschen Teilnehmer machen sich offenbar darüber Gedanken. Erstaunlicherweise sorgen sich die Deutschen auch über eventuell zu hohe Kosten, 45 Prozent (38 Prozent) gaben dies an. Spitzenreiter sind hier die US-Amerikaner mit 53 Prozent (60 Prozent). Auch die Menge des Fernsehkonsums und ein eventuell verlorengehender Überraschungseffekt stimmen die deutschen Teilnehmer bedenklich. So gaben die deutschen Befragten zu 29 Prozent (29 Prozent) an, sie sorgen sich, dass sie „dann zu viel fernsehen“. Damit ist Deutschland im Mittelfeld, Südkoreaner machen sich hier wesentlich mehr Gedanken, immerhin 59 Prozent (61 Prozent) zeigten sich bei diesem Aspekt bedenklich. Ähnlich hoch scheint die Angst zu sein, dann keine TV-Überraschungen mehr zu erleben, Südkorea ist hier mit 36 Prozent (24 Prozent) ebenfalls Spitzenreiter, Deutschland liegt mit 24 Prozent (21 Prozent) dahinter. Amerikaner scheint dies nicht zu tangieren, nur 7 Prozent (6 Prozent) äußersten Bedenken.

Mehrheit möchte nicht zahlen

Ein wichtiges, wenngleich auch für Anbieter recht schwieriges Ergebnis der Studie: Die Mehrheit der Befragten möchte für die neuen Dienste keine Mehrkosten hinnehmen. So gaben lediglich 6 Prozent (15 Prozent) der deutschen Befragten an, dass sie das Zukunftsbild nutzen würden, auch wenn sie dafür etwas bezahlen müssten. Mit 46 Prozent (48 Prozent) der Befragten würde das Gros die beschriebene Plattform zwar nutzen, allerdings nur wenn keine Mehrkosten entstünden. Chinesen und Brasilianer zeigen sich hier deutlich zahlungswilliger. 32 Prozent der Befragten Brasilianer und 34 Prozent der Chinesen würden zahlen. Unter den innovationsoffenen Befragten sind es gar 49 und 52 Prozent.

Blick in die nähere Zukunft

Der Verdacht, dass das vorgestellte Zukunftsbild gar nicht so weit ab von bereits bestehenden Systemen ist, bestätigt sich auch in der Umfrage. So gaben 78 Prozent der chinesischen Befragten an, dass solch eine Plattform bereits verfügbar ist, 36 Prozent wünschten sich eine baldige Verfügbarkeit. Deutsche Befragte sind immerhin zu 32 Prozent der Meinung, dass dieses Zukunftsbild bereits Realität ist, 17 Prozent wünschten sich eine sehr schnelle Umsetzung. Dieser enorme Unterschied zwischen Deutschland und China zeigt, dass es deutsche IPTV-Anbieter wohl auch in Zukunft nicht besonders einfach haben werden.

Schlussfolgerungen

Die Studie „Zukunftsbilder der digitalen Welt“ gibt in ihrer Vielfältigkeit und durch die große Menge an Befragten einen sehr interessanten und umfassenden Ausblick auf zukünftige Entwicklungen der Informations- und Wissensgesellschaft. Dies mag auch durch die große Anzahl an beteiligten Unternehmen begründet sein, die von deutschen Großunternehmen bis hin zu nichtstaatlichen und staatlichen Organisationen reichen. Auffällig ist, dass sich die konzipierten Zukunftsbilder oft stark an bereits Bestehendem orientieren und dies mit visionärem Anfüttern. Zum einen macht dies die Studie greifbar und lässt – breite Zustimmung vorausgesetzt – eine baldige Markteinführung, zumindest in Teilen denkbar. Zum anderen hat es aber auch zur Folge, dass die Studie an verschiedenen Stellen wenig visionär erscheint und die dazu passende weltweite Umfrage mehr zu einem Marktforschungsbericht avanciert. Wie auch immer man die Inhalte der Studie auslegen mag, in jedem Fall kritikwürdig ist, dass kein einziges afrikanisches Land in die Online-Umfrage einbezogen wurde und die Auswahl der Länder allgemein ein wenig willkürlich zu sein scheint. So mag man sich beispielsweise Fragen ob Deutschland und Schweden wirklich repräsentativ für ganz Europa stehen können. Dessen ungeachtet: Interessant und aufschlussreich ist die Zukunftsstudie in jedem Fall. Ein Blick auf die 280 Seiten lohnt sich also, und zwar nicht nur, um sich über die Zukunft des Fernsehens zu informieren.


Datenquelle: Studie des Münchner Kreis - „Zukunftsbilder der digitalen Welt. Nutzerperspektiven im internationalen Vergleich“




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