Interview mit Dr. Michael Schmid zur Web-TV Studie von Goldmedia: „Video ist Zukunft - 4.7 Milliarden Videoaufrufe im Monat, mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 20%!“


Web-TV ist längst Alltag und wird noch gewaltig wachsen! Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien durch die Firma Goldmedia GmbH Media Consulting & Research erarbeitet wurde. Dieser „Web-TV-Monitor“ sorgt erstmalig für Transparenz in den Marktstrukturen und gibt eine umfassende Übersicht über die deutschen Web-TV Anbieter.

Dr. Michael Schmid
Wir haben mit Herrn Dr. Michael Schmid gesprochen, welcher sich bei Goldmedia in seiner Rolle als Senior Consultant für diese Studie verantwortlich zeigt. Schmid ist seit Ende 2003 bei Goldmedia im Bereich der Kommunikationsbranche tätig und hat an der Technischen Universität Berlin und der Freien Universität Berlin studiert. Weitere Informationen finden Sie unter www.webtvmonitor.de.

Herr Dr. Schmid, erst einmal vielen Dank für das Interview. Welche Art von Web-TV Angeboten haben Sie untersucht und was gibt es da für verschiedene Ausprägungen?

Für die Umsetzung der Studie und die Quantifizierung des Angebotes im Web-TV-Monitor 2010 war es wichtig, dass einheitliche Merkmale für die Web-TV-Sender festgelegt werden. Sobald ein Internet-Angebot eines der folgenden sechs Kriterien erfüllt, wurde es in die Goldmedia-Datenbank aufgenommen.

  • In erster Linie muss selbstverständlich Video/Bewegtbild als zentrales Merkmal auf den Portalen/Internetseiten erkennbar sein.
  • Zudem wurde vorausgesetzt, dass dieses über einen herkömmlichen Web-Browser abrufbar, regelmäßig aktualisiert und an ein deutsches Zielpublikum gerichtet ist.
  • Außerdem sollten Web-TV-Sender ihre Inhalte überwiegend selbst produzieren bzw. eine eindeutige Rechtsbeziehung zu den Produzenten der Videos aufweisen und alle rechtlichen Standards (Urheberrecht, Jugendschutz) einhalten. Somit waren Plattformen mit vereinzeltem Videoangebot, bloße Link-Aggregatoren, nicht-öffentliche Video-Sharing-Angebote wie etwa Facebook sowie in Deutschland ohne rechtliche Grundlage agierende Portale von der Untersuchung ausgeschlossen.
Mithilfe dieser Definition haben wir insgesamt 1.275 deutsche Web-TV-Sender erfasst. Es hat sich herausgestellt, dass fast die Hälfte aller Video-Angebote (47 Prozent) Ableger klassischer Medien sind.

Überraschenderweise dominieren zahlenmäßig aber nicht die Submarken von Fernsehsendern, sondern die der Printmedien. Ausschließlich für das Internet produzierte und auch nur dort publizierte Videoangebote (Online Only) machen dabei ca. einen Drittel des Web-TV-Universums aus. Während all die anderen Kategorien, nämlich Corporate-TV, Videoshopping-Portale, nichtkommerzielle Web-TV-Sender, Mediatheken/Video-Center, Video-Sharing-Plattformen und Kommunikations-Portale in ihrer Anzahl nur einen sehr geringen Beitrag leisten, finden sich hierunter allerdings die abrufstärksten Angebote.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Erhebung, was lässt sich aus den Daten ableiten?

Neben der Quantifizierung und der Typologisierung des Marktes wollten wir vor allem einen Überblick über die Nutzung von Online-Videos geben. Derzeit werden im Rahmen der mit unserer Definition erfassten Angebote über 150 Mio. Videos pro Tag abgerufen - das sind monatlich 4,7 Mrd. Videos!

Diese Zahl wird in den nächsten Jahren noch deutlich steigen. Goldmedia geht von einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 21 Prozent aus. Der Hauptteil der Nutzung entfällt auf die Video-Sharing-Portale und „User generated content“-Anbieter wie Youtube, von denen es ja – bezogen auf das gesamte Web-TV-Universum – vergleichsweise wenige gibt.

Wir sprechen hier von einem extremen „Fat Head-Markt“. Das bedeutet, dass die zehn reichweitenstärksten Anbieter einen Marktanteil von 93 Prozent auf sich vereinen. Neben Youtube und Co. sind vor allem die Mediatheken/Videocenter und Submarken der TV-Sender relevant.

Betrachtet man die Nutzung im Tagesverlauf, so zeigt sich eine adäquate Nutzung zum klassischen Fernsehen mit Konzentration auf den Abend. Zwischen 18 und 21 Uhr ist der Video-Traffic durchschnittlich bei allen Anbietern am höchsten. Auch mittags berichteten uns die Web-TV-Sender von einem kurzen Peak. Dabei liegt die Sehdauer, also die ununterbrochene Nutzung eines Videos, bei 9,5 Minuten pro Video. Auch hier wird nach Einschätzung der Web-TV-Anbieter ein deutlicher Anstieg in naher Zukunft erwartet.

Ein weiteres spannendes Ergebnis des Web-TV-Monitors: Online-Video-Angebote werden überwiegend kostenfrei angeboten. Nur drei Prozent der Plattformbetreiber (überwiegend Mediatheken und Videocenter) liefern Paid-Content.

Wer wurde befragt, bzw. wie setzt sich die Gruppe der Befragten zusammen?

Es wurden alle in unserer Datenbank aufgenommenen Web-TV-Sender angeschrieben und gebeten unseren Fragebogen auszufüllen. Darüber hinaus haben wir mit vielen verschiedenen Vertretern der Branche (Mediaagenturen, Content-Anbietern, technischen Dienstleistern, Internetkonzerne) Hintergrundgespräche geführt. Außerdem haben wir unsere Erhebung mit Pressearbeit begleitet, sodass Betroffene auch unabhängig von unserem direkten Anschreiben informiert wurden.

Gibt es konkrete Empfehlungen und Schlüsse, die sich aus der Studie ableiten lassen?

Videowerbung kann der Online-Werbung noch einmal einen großen Schub versetzen. Reichweitenstarke Anbieter mit professionellem Content sind heute schon oftmals mit Videowerbung weitestgehend ausgebucht. Gleichzeitig erhöhen sich die Nutzungszahlen pro Angebot, aber nicht immer im erhofften Maß.

Um die Werbeumsätze mit Online-Video-Werbung zu erhöhen, wird es notwendig werden, vor allem längere Inhalte und Clips zu vermarkten. Hier können sich dann neben „Prerolls“ auch „Midrolls“ stärker verbreiten, die während dem laufenden Video Werbung einblenden.

Dabei kann Hybrid-TV eine elementare Rolle spielen: Kommen die Online-Videos erst einmal auf dem Fernsehgerät im Wohnzimmer an, wird sich die Nutzungszeit deutlich ausdehnen und der klassischen Fernsehnutzung Konkurrenz machen. Dann kann es zu einer Verschiebung der Werbeetats kommen.

Wie wird sich IPTV und WebTV entwickeln, verschmelzen diese beiden Technologien komplett oder gibt es auch künftig Differenzierungsmerkmale?

In der Tat bewegen sich beide Konzepte aufeinander zu. Durch Hybrid-TV verlagert sich WebTV zunehmend auf das heimische TV-Gerät. Andererseits werden IPTV-Angebote, aber auch zunehmend Kabelanschlüsse, durch Online-Video-on-Demand-Plattformen angereichert.

Trotzdem haben wir es mit zwei unterschiedlichen Dingen zu tun – sowohl technisch als auch vom Geschäftsmodell her. Durch Angebote wie Zattoo wird daher der klassische TV-Anschluss nicht abgelöst. Allerdings bekommen die klassischen TV-Distributoren, zu denen ich neben den Kabelanbietern auch IPTV-Provider wie die Deutsche Telekom zählen möchte, auf dem TV-Gerät sicherlich zunehmend Konkurrenz – auch durch gewichtige Player wie Apple oder Google (GoogleTV).

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den deutschen Markt in den nächsten Jahren, worin liegen die aktuellen Hürden und Stolpersteine?

Der Einsatz von Videos im Internet wird immer mehr zum Standard. Denn durch das hohe Wachstum breitbandiger Internetanschlüsse, geringere Traffic-Kosten für die Übertragung großer Datenmengen und eine immer bessere Geräteausstattung der Haushalte wird die Nutzung von Web-TV zunehmend einfacher und attraktiver. Die Herausforderungen liegen v.a. in der Etablierung einer Messgröße zur Bestimmung der Reichweiten. Hier steckt der Markt leider noch immer in seinen Kinderschuhen.

Herr Schmid, vielen Dank für dieses Interview und die spannenden Ausführungen!


Weiterführendes:

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Bild: © Dr. Michael Schmid, Goldmedia


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